Fette Leber, Fettleber, Leberverfettung – was wir von der Gänsemast lernen können
Die Leber ist ein wahres Multitalent. Sie entgiftet, speichert Energie, bildet wichtige Eiweiße und spielt eine zentrale Rolle im gesamten Stoffwechsel. Wenn über Lebererkrankungen gesprochen wird, denken viele zuerst an die Leberzirrhose durch Alkohol – tatsächlich der bekannteste, aber längst nicht mehr der häufigste Fall.
Im Zeitalter der industrialisierten Ernährung und des ständigen Überangebots an Kohlenhydraten rückt eine andere Form zunehmend in den Vordergrund: die Fettleber. Dabei werden in der Leber überschüssige Zucker in Fett umgewandelt. Dieses Fett kann nicht ausreichend abgebaut oder ausgeschleust werden und lagert sich nach und nach in den Leberzellen ab.
Besonders ungünstig sind dabei die zwei Komplizen Kohlenhydrate und Insulin. Die Kohlenhydrate liefern die überschüssige Energie, während Insulin die Einlagerung von Fett zusätzlich fördert und die Umwandlung von Zucker in Fett weiter antreibt. Besonders problematisch ist Fructose – also Fruchtzucker. Fructose hat lange den Ruf gehabt, „gesünder“ zu sein als normaler Zucker. Tatsächlich wird sie jedoch fast ausschließlich in der Leber verstoffwechselt und dort sehr leicht in Fett umgewandelt – genau das fördert die Entstehung einer Fettleber. Ein ähnlicher Mechanismus spielt übrigens auch bei der Gänsemast eine Rolle, wo durch gezielte Überfütterung eine starke Fetteinlagerung in der Leber entsteht.
Wenn eine gewisse Grenze überschritten ist, führt die Fetteinlagerung zu Entzündungsprozessen in der Leber. Die Fettzellen beginnen, entzündungsfördernde Botenstoffe auszuschütten. Das Gewebe schwillt leicht an, die Leberzellen werden gereizt – eine entzündete Fettleber, auch Steatohepatitis genannt, entsteht. Bleibt dieser Zustand über längere Zeit bestehen, kommt es zu Vernarbungen (Fibrose). Im schlimmsten Fall kann sich daraus eine Leberzirrhose entwickeln – ganz ohne Alkohol.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Essverhalten. Wenn zwischen den Mahlzeiten ständig gesnackt wird, bleibt der Insulinspiegel dauerhaft erhöht. Solange Insulin aktiv ist, kann der Körper keine Fettreserven abbauen – er bleibt gewissermaßen im „Speichermodus“. Gleichzeitig wird überschüssiger Zucker weiter in Fett umgewandelt.
Darum ist es sinnvoll, sich auf zwei bis drei Hauptmahlzeiten pro Tag zu beschränken und zwischen diesen Mahlzeiten keine Kalorien aufzunehmen. Nur so kann der Insulinspiegel für einige Stunden absinken, und der Körper hat überhaupt die Chance, wieder in den Fettabbau zu kommen.
Die früher oft empfohlene Strategie, fünf kleine Mahlzeiten über den Tag zu verteilen, gilt heute als überholt. In Zeiten des Überflusses und der ständig verfügbaren Nahrungsmittel ist sie sogar kontraproduktiv. Um eine Fettleber rückgängig zu machen, braucht es eine Reduktion der Kalorienzufuhr – vor allem der Kohlenhydrate – bei gleichzeitig ausreichender Eiweißaufnahme. Entscheidend sind außerdem regelmäßige Pausen zwischen den Mahlzeiten, kleine „Hungerphasen“, in denen der Stoffwechsel umschalten kann.
Wie erkennt man eine Fettleber?
Eine Fettleber wird nicht im Labor diagnostiziert. Sie kann aber durch leicht erhöhte Leberwerte auffallen – etwa bei GOT, GPT oder Gamma-GT. Diese Werte sind jedoch unspezifisch und zeigen nur an, dass die Leber gereizt oder belastet ist. Die eigentliche Diagnose erfolgt durch den Ultraschall.
Im Ultraschall zeigt sich die Fettleber typischerweise heller, also echoreicher, als normales Lebergewebe. Das wirkt zunächst widersprüchlich, denn Fett hat physikalisch eine geringere Dichte und müsste eigentlich dunkler erscheinen. Tatsächlich kommt dieser Effekt durch ein physikalisches Phänomen zustande: In der verfetteten Leber gibt es viele kleine Übergänge zwischen Fett und Wasser, sogenannte Impedanzsprünge. Diese führen dazu, dass Schallwellen stärker reflektiert werden – und so entsteht das hellere, „leuchtende“ Bild, das für die Fettleber typisch ist.
Therapie der Fettleber
Wie so oft sind auch bei der Fettleber die wirksamsten Maßnahmen weder kompliziert noch teuer. Entscheidend ist, die Ursachen anzugehen – und das gelingt meist mit einfachen Veränderungen im Alltag.
Ziel ist zunächst ein Kaloriendefizit, also die Aufnahme von weniger Energie, als der Körper verbraucht. Wichtig ist dabei nicht nur die Menge, sondern auch die Zusammensetzung der Nahrung. Der Anteil an Kohlenhydraten sollte deutlich reduziert werden, während Eiweiß ausreichend vorhanden sein sollte. Dadurch sinken die Insulinspiegel, und der Körper kann zwischen den Mahlzeiten wieder in den Fettabbau übergehen. Kleine Hungerphasen oder zumindest Esspausen helfen, diesen Wechsel zu unterstützen.
Ebenso wichtig ist Bewegung – allerdings in einem Bereich, in dem der Fettabbau überhaupt stattfinden kann. Fett wird nämlich nur dann abgebaut, wenn ausreichend Sauerstoff zur Verfügung steht. Das bedeutet: Wir brauchen Ausdauerbewegung im aeroben Bereich, also eine moderate körperliche Aktivität, die länger anhält.
Früher wurde oft gefragt, bei welcher Herzfrequenz der Fettabbau am besten funktioniert. In Wahrheit hängt er weniger von einem bestimmten Puls ab, sondern davon, dass man sich während der Aktivität noch unterhalten kann. Diese einfache Beobachtung zeigt, dass der Körper noch genügend Sauerstoff zur Verfügung hat und damit im gewünschten aeroben Bereich arbeitet. Wenn man dagegen so außer Atem gerät, dass man kaum noch sprechen kann, befindet sich der Körper in einer Art Fluchtmodus. In dieser Situation muss er schnell Energie bereitstellen – und das gelingt nur über Zucker, der in den Muskeln als Glykogen gespeichert ist. Der Fettabbau wird in diesem Moment unterbrochen, weil er zu langsam wäre, um den kurzfristigen Energiebedarf zu decken.
Ideal ist daher eine Bewegung von etwa 35 bis 60 Minuten Dauer, regelmäßig und in moderatem Tempo – zum Beispiel zügiges Gehen, Radfahren oder Schwimmen. Fett wird, vereinfacht gesagt, nur an der Luft abgebaut.
Fazit
Die gute Nachricht: Eine Fettleber ist in vielen Fällen vollständig rückbildbar. Entscheidend sind einfache, aber konsequent umgesetzte Maßnahmen. Wichtig ist eine Reduktion der gesamten Kalorienmenge, insbesondere des Kohlenhydratanteils, um die Insulinspiegel abzusenken. Längere Esspausen ohne Kalorienzufuhr helfen, den Fettabbau wieder in Gang zu bringen. Alkohol sollte ganz gemieden werden, da er die Leber zusätzlich belastet.
Ebenso bedeutsam ist regelmäßige Bewegung – ideal sind mindestens 150 Minuten pro Woche an moderatem Ausdauertraining, besser etwas mehr. Ob zügiges Gehen, Radfahren oder Schwimmen: Wichtig ist, dass die Aktivität regelmäßig und dauerhaft in den Alltag integriert wird.
Gänse werden gemästet, wir mästen uns selbst. Der Unterschied: Wir wissen es besser.
Dr. med. Stefan Rupp
Hausarzt in Freiburg-Littenweiler
Allgemeinmedizin, Prävention & Ernährungsmedizin